Eine „überscheene“ bras(s)ilianische Woche

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So lange haben wir auf unsere Gäste aus Brasilien gewartet und dann verging die Woche ihres Besuchs wie im Flug. Nun sitzen wir hier und sind noch voller glücklicher Eindrücke, dankbar und auch etwas müde nach dieser intensiven Zeit. Diese Zeilen können nur ein kleiner Abriss der Tage erzählen, die für uns so spannend und aufregend war.

Aber von vorn: Der Verein Jugendblasorchester Grimma e.V. hat uns vor einiger Zeit angefragt, ob wir nicht Lust auf ein brasilianisches Orchester hätten, das auf Deutschland Tournee ist und am Internationalen Musikantentreffen vom 9.-11. September teilnimmt. Da wurde natürlich nicht lange gezögert und zugesagt. Nun ging es im Vorstand an die Arbeit: Es mussten Gasteltern gefunden, Ausflüge geplant, Konzerte organisiert, Essen vorbereitet und Werbung gemacht werden. Neben all den regulären Vereinsaktivitäten, kam diese Aufgabe für unsere Vorständler noch dazu. Man kann nur dankbar und voller Respekt vor so einer Leistung sein. Danke, für so viel Hingabe und Liebe, die ungezählten Stunden am Telefon und Laptop und das Durchhaltevermögen!

So rückte also der 31. August näher und alles war geplant. Gasteltern hatten Betten bezogen, Ausflüge waren gebucht und dann das: Das Flugzeug hatte Verspätung und der Anschlussflug von Frankfurt nach Berlin konnte nicht eingehalten werden. Der ursprünglich geplante Ausflug am 1. September musste kurzerhand umgeplant werden. Die Anreise gestaltete sich für unsere Gäste ziemlich abenteuerlich, denn fünf Koffer blieben irgendwo im Flughafen hängen. Sie sind auch während der Zeit hier in Thum nicht bei uns angekommen. Aber irgendwann waren die Musiker dann endlich da und spielten direkt – nach 2tägiger Anreiseodyssee – ein Konzert im Kraftverkehr Chemnitz, das sich sehen und hören lassen konnte. Ein sichtlich spaßiges Orchester hatten wir uns da wohl eingeladen. Die Freude der Musiker und SängerInnen und übertrug sich auf das Publikum. Man sah überall wippende Füße, strahlende Augen und neugierige Gesichter. Bei „Celebrations“ hielt es dann kaum einen mehr auf den Stühlen und alle genossen dieses besondere Auftaktkonzert. Denn nicht nur die Brasilianer können Musik machen, sondern auch die junge Band „Searching for home“, die uns bereits zuvor mit funky Rhythmen und groovigem Sound fesselte.

Nachdem Konzert wurden unsere Gäste auf die Familien verteilt und die anfängliche Aufregung, wie wir uns verständigen, löste sich schnell. Denn die Musiker des Orchestra de Teutonia sind zumeist Nachfahren deutscher Auswanderer gewesen und sprechen zum Teil immer noch Deutsch. Alle waren nach diesem Tag sichtlich erschöpft, schliefen am nächsten Tag lang und genossen das Frühstück in aller Ruhe.

Über den Nachmittag waren sie in Chemnitz zu einer Stadtrundfahrt in einer historischen Straßenbahn eingeladen und spielten ein zweites Konzert im Straßenbahnmuseum. Der Abend gehörte dann ganz den Gastfamilien und es wurden unterhaltsame Stunden des Kennenlernens. Da wurden Lieder am Lagerfeuer gesungen, gemeinsam musiziert und „Medizin“ in Form von Lauterbacher verabreicht. Wir haben gelernt, dass das Bier eiskalt sein sollte und Flugzeuge „Luftschiff“ und das Gewächshaus „Tomatenofen“ heißt. Bis tief in die Nacht hörten es die Nachbarn der Gastfamilien sicher laut lachen und „saude“ (Prost) sagen.

Der Samstag stand ganz im Zeichen des Vereins und des Musizierens. Nach einem leckeren Mittagessen im Ratskeller trafen wir uns zur gemeinsamen Probe mit Brass94. Für alle aufregend und spannend, denn wir mochten uns natürlich nicht blamieren und probten konzentriert unsere gemeinsamen Titel für das Konzert am Abend. Gegen 19 Uhr empfingen wir unsere Gäste in einem toll dekoriertem Volkshaus zum Tanzabend. Die Mädels an der Bar hatten Bowle und Cocktails vorbereitet und alle hatten sich schick gemacht. Für unsere Besucher ergab sich sicher ein ungewohntes Bild, denn neben den üblichen Sitzplätzen waren auch Stehplätze vorbereitet. Dies war jedoch mit Bedacht gewählt, denn schon das Konzert am vergangenen Donnerstag zeigte: die Stühle braucht es gar nicht. Und tatsächlich, der Funke sprang bereits beim ersten Titel über, so schnell konnte keiner bis drei zählen. Das Publikum war begeistert und man schaute in glückliche Gesichter. Auch wir Musiker hatten viel Freude beim gemeinsamen musizieren und tanzen. Es wurde ein „überscheenes“ Konzert, wie unsere liebgewonnen Gäste sagten. Überscheen bedeutet so viel wie zwei Mal „schön“ oder besonders schön. Und das war es!

Wer unseren Verein kennt, der weiß, dass mit dem Ende des Konzertes der Abend zumeist noch nicht endet…eine Aftershowparty im Probenraum darf nicht fehlen. Und so gab es allerlei kleine Bräuche und viel Musik. Unsere Gäste spielten alte deutsche Volkslieder und wir sangen und tanzten bis tief in die Nacht.

Am Sonntag luden wir alle zu einem echten erzgebirgischen Ausflug ein: Es ging ins Crottendorfer Räucherkerzenland, auf den Fichtelberg, mit der Fichtelbergbahn nach Cranzahl und in die St. Annenkirche nach Annaberg-Buchholz. Beim gemeinsamen Abschlussgrillen genossen wird die letzten gemeinsamen Stunden und sind uns sicher: wir haben neue Freunde in 11.000km Entfernung gefunden. Und so erzählen diese Zeilen vielleicht ein klein wenig davon, wie erfüllt wir von dieser Erfahrung und dem Austausch sind. Danke an all die OrganisatorInnen, Helfer vor und hinter den Kulissen, Sponsoren, Unterstützer und alle Beteiligte, die dieses Projekt ermöglicht und gefördert haben.

Claudia Haase, Klarinettistin bei Brass94

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